Helford – Falmouth (16 km, 5 Stunden)
Der Morgen beginnt mit einem heimischen Plausch in der Küche von Linda Jenkin. Stolz präsentiert sie mir ihren alten Herd, der alleine nur mit Feuer die Speisen erhitzt. Selbst das Brot wird traditionell im alten Steinofen gebacken. Dieses Haus und auch der Rinderhof sind in Familienbesitz schon seit mehreren Generationen. So wie ihre Eltern führt nun Linda diese Tradition weiter. Und danach ihr Sohn, der jetzt schon in die Fußstapfen der Familie getreten ist. „Er liebt es seit er klein ist“, verrät sie mir. Sie lehnt sich zurück, zündet sie eine Zigarette an und setzt fort in ihrer dunklen Stimme: „Das mit der Rinderzucht läuft so ab: wir züchten die Rinder bis sie dann zum Schlachter kommen. Der verarbeitet sie dann weiter und wir bekommen das Fleisch zurück. Dann verkaufe ich es. Aber nur an Einheimische! Und nur auf Anfrage! Davon landet nichts im Supermarkt. Tesco und Co wirtschaftet uns Bauern doch in den Ruin. Das mag ich nicht….“. Nach einer nachdenklichen Pause hebt sie wieder den Blick: „Hier gibt es schon eine hohe Diskrepanz zwischen den Städtern und den Bauern. Aber ich mag es hier. Das ist meine Oase. Sicher und geschlossen.“ Als sie sich sehr interessiert nach dem Preis für ein Pfund Rindfleisch in Deutschland erkundigt, bin ich vollkommen überfragt und muss passen. Etwas enttäuscht ziehen sich ihre Mundwinkel nach unten. Und kurz darauf lacht sie wieder. Ich bin wohl doch mehr Städter als mir lieb ist in diesem Moment.

Um 9 Uhr verlasse ich den Hof der Jenkins, drehe mich noch mal um und winke der fröhlichen Linda zu.

Laut ihrer Beschreibung komme ich von hier aus ganz schnell zu Fuß nach Helford. Das kam mir zwar mit dem Auto nicht so vor, aber ich schenke der einheimischen Bäuerin einfach mal Vertrauen. Mit meiner Wanderkarte im Maßstab 1 : 40 000 und dem mobilen Google Maps, versuche ich den Weg anhand von Strichen und Kästchen irgendwie zu identifizieren. Zweimal verpasse ich den richtigen Einstieg und muss als Strafe dafür unnötig Asphalt hoch und wieder runter laufen. Irgendwann hab ich ihn dann, zwischen einer Mauer über einer Wiese. In einem Laubwäldchen angekommen, weisen mir auch schon wieder hölzerne Wegweiser die Strecke nach Helford. Das wäre geschafft!
In Helford selber ist noch alles sehr ruhig an diesem Dienstag. Die glühende Sonne deutet an, dass es wieder ein sehr warmer Tag werden wird. Um weiter auf dem Coast Path zu laufen, muss ich mit der Fähre von Helford nach Helford Passage übersetzen. Nach umklappen des Zeichens, kommt auch schon vom anderen Ufer eine kleine Fähre rüber geschippert. Diesmal kostet der Service Geld und ist wesentlich anonymer als der in Gillan. Man merkt daran, dass der Massen-Tourismus hier nicht weit entfernt sein kann. Helford Passage ist neben einem Pub und einem Café nicht weiter aufregend. So laufe ich weiter auf dem Coast Path. Parallel zum Helford River läuft er wunderschön an Wiesen und Parks vorbei. Von hier aus kann ich einen Blick in den beeindruckenden Trebah Garden und Glendurgan Garden werfen. Da mir heute keine Zeit bleibt beide zu besuchen, nehme ich mir das fest vor für meinen längeren Aufenthalt in Falmouth. Je mehr ich die Ecke nach Helford Passage umrunde und mich Falmouth Bay nähere, desto touristischer wird es. Der Weg wird belebter und gleichzeitig anonymer. Statt Wanderschuhen läuft man in Flipflops. Statt einem fröhlichen Gruß bekommt man nur ein starres Gesicht gezeigt. Falmouth rückt immer näher und der Coast Path wird somit für mich immer kürzer. Um in der Zeit zu bleiben und um auch wieder gut nach Hause zu kommen, habe ich geplant in Falmouth die letzten 4 Tage bis zu meiner Heimreise zu verbringen. Das heißt auch, dass dies meine letzte lange Tour auf dem Coast Path sein wird. Und dass mich wieder eine Stadt erwartet. Die Gedanken daran machen mich nervös. Zur Erholung pausiere ich am Maen Porth Beach unter einem Sonnenschirm. Ein Strandhund lenkt mich damit ab, mir immer wieder einen Ball zum Schmeißen vor die Füße zu legen. Für einen Moment vergesse ich meinen Ärger und schalte ab.

Das letzte Stück bis nach Falmouth ist im Vergleich zu allen gelaufenen Strecken ein Graus. Blasse Briten quetschen sich mit ihren Handtüchern nebeneinander auf dem Stadtstrand.

Asphalt verdrängt Waldboden unter meinen Füßen. Lärm drängt von den Straßen der Stadt bis hin zum Meer. Mich nervt die Stadt. Ich will weiter laufen, einfach nur weiter. In Falmouth angekommen, muss ich mich mindestens noch eine halbe Stunde mitten durch die Stadt kämpfen, um am anderen Ende mein Hostel „The Jacobs Ladder Inn“ zu finden. Da in dieser Woche das Fal River Festival in Falmouth startet, habe ich leider nur noch diese günstige Unterkunft gefunden. Das Falmouth Lodge Backpackers wäre perfekt gewesen, ist aber schon komplett ausgebucht. Egal. Als ich mich auf einer der Haupteinkaufsstraßen wieder finde, verliere ich fast schon den Verstand. Wo soll denn dieses blöde Hostel sein? Das Nachfragen in einem der Shops hätte ich mir auch sparen können. Ein desinteressiertes Schulterzucken bringt mich so gar nicht weiter. Meiner Intuition folgend laufe ich Treppen hoch, dann wieder runter, dann quer, am Sportplatz vorbei und dann hab ich´s endlich gefunden: das Jacobs Lader Inn. Ein Pub mit Hostel. Ist ja genau das richtige für Menschen wie mich, die ihre Ruhe mögen…

Um 16 Uhr öffnen sich die Pforten des verrauchten Pubs. Alle Vorurteile bestätigend, begrüßt mich ein Grüppchen tätowierter und gepiercter Typen an der Theke. Ich in meiner Wandermontur mit Laufstöcken und Sonnenhut wirke in diesem Moment auf sie mindestens genauso unpassend wie sie auf mich. Zu meiner Erleichterung werde ich familiär empfangen, durch die Zimmer im oberen Stockwerk geführt und eingeladen mich jederzeit zu melden wenn ich etwas brauche. Etwas widerwillig richte ich mich in meinem 6-Bett Zimmer ein, das ich für die kommenden zwei Nächte noch für mich alleine haben werde. Wäsche wasche ich im Waschbecken und hänge sie auf der Dachterrasse auf. Um in den kommenden Tagen meine Haushaltskasse zu schonen, nehme ich das Angebot an mich in der Küche selbst zu verpflegen. Leicht gesagt. Ich habe ganz ehrlich keine hohen Ansprüche was das angeht, aber die Küche ist schon etwas ekelig. Scheinbar ist das auch die Küche der Eigentümerin samt Freunden, die hier wohnen. Dreckiges Geschirr stapelt sich neben angebrochenen Cornflakes-Schachteln und Konserven. Ich muss jetzt hier mal raus.
Im Tourist Office um die Ecke klage ich mein Leid. Dass die Unterkunft leider nicht so der Brüller ist für einen Aufenthalt von vier Tagen. Dass Falmouth irgendwie so anstrengend ist. Und dass ich viel lieber weiter laufen würde als hier zu bleiben. Mitleidig pflichtet mir die Dame im Tourist Office bei und deckt mich mit massenhaft Prospekten aus der Region ein. „Hier in Falmouth kann man ganz tolle viele Sachen machen! Sie werden schon sehen.“, versucht sie mich auf zu muntern. Ein bisschen weniger verärgert als vorher, schlendere ich mit meinen neuen Prospekten zum Hafen, setze mich auf eine Bank mit dem Rücken zur Stadt und warte einfach nur bis es leiser um mich herum wird. Um 18 Uhr wird es dann fast schlagartig still: die Geschäfte schließen, die Angestellten flüchten zurück zu ihren Familien ins Umland, die Touristen ziehen weiter. Hier herrscht eine ganz andere Taktung als auf dem Land. Dort bin ich wach geworden als es hell wurde und ins Bett gegangen wenn ich müde war. Die Uhrzeit wann ich ankam spielte so gesehen keine Rolle. Niemand hat mich bestimmt. Kaum bin ich in der Stadt, gelten wieder äußere Regeln. Die Erkenntnis muss ich jetzt erstmal sacken lassen.

Die Unterkunft

Das Jacobs Ladder Inn ist mit Sicherheit keine schlechte Adresse. Die Besitzer sind freundlich und hilfsbereit, die Atmosphäre familiär. Auch die Zimmer und das Bad sind gepflegt, nur die Küche zum Selbstversorgen ist nicht so sehr zu empfehlen. Statt dessen bietet das Jacobs Ladder Inn aber auch Frühstück für 6.75 £ an. Für wen das auch nichts ist, so kann man in Falmouth essenstechnisch jede Menge Alternativen finden. Von der Lage her ist das Hostel sehr günstig gelegen: mitten in Stadtzentrum in der Nähe des Hafens, der Busbahnhof und der Haupteinkaufsstrasse Market und Church Street. Nur muss man jedes Mal hoch zum Jacobs Ladder Inn alle 111 Stufen überwinden. Das hält wenigstens fit! Für all jene, die nach einer anstrengenden Wandertour auf dem Coast Path Ruhe und Entspannung in Falmouth suchen, würde ich das Hostel nicht empfehlen. Dadurch dass unter den Schlafräumen direkt der Pub gelegen ist, wird hier schon mal öfter bis in die Nacht gefeiert. Wer daran jedoch Gefallen hat und neben der Natur auch mal einen anderen Teil von Cornwall kennen lernen will, ist hier bestimmt gut aufgehoben.

Das Frühstück
• Küche zum Selbstverpflegen
• Full english Breakfast (auch vegetarisch)

Der Preis
• ab 18 £/ Person und Nacht
• ab 6,75 £/ Frühstück

Das Angebot
• Insgesamt 16 Betten
• Einzelzimmer vorhanden
• Waschbecken und Heizung in jedem Raum
• Bettwäsche inklusive
• Waschmaschine und Trockenterasse
• Küche zum Selbstverpflegen
• Free Wi-fi
• Fahrradverleih
• Pub unter dem Hostel mit Musik
• keine Sperrstunde
• Barfood am Wochenende

Anschrift
The Jacobs Ladder Inn
1-2 Chapel Terrace
Falmouth
Cornwall
TR11 3BQ
Tel: +44 (0)1326 311010

www.thejacobsladderinn.co.uk

Alternativen
Falmouth Lodge Backpackers
9 Gyllyngvase Terrace
Falmouth
Cornwal
TR11 4DL
Tel: +44 (0) 1326 319 996
Tel: +44 (0) 7525 722 808

www.falmouthbackpackers.co.uk
Mehrbettzimmer 19 £/ Nacht
Doppelzimmer 25 £/ Nacht

Alle Bilder dieser Tour habe ich außerdem hier zusammengestellt:
Fotoalbum “Helford – Falmouth” bei flickr (10 Bilder)

1 Kommentar zu “Tag 13 – Sandstrand trifft Bordstein

  1. Pingback: Rückblick auf den Coast Path | Landlinien Outdoor-Reiseblog

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