Glendalough heißt im irischen Gleann Dá Loch und übersetzt „Tal der zwei Seen“. Mitten in den Wicklow Mountains und etwa auf der Hälfte des Wicklow Ways, erstrecken sich der Lower und der Upper Lake majestätisch zwischen den Bergen. Bekannt und berühmt wurde Glendalough durch die alte Klostersiedlung, welche im 6. Jahrhundert vom St. Kevin gegründet wurde. Zunächst kam er hier her, um Einsamkeit zu finden und zurückgezogen im Einklang mit der Natur zu leben. Er legte den Grundstein für diesen Ort, welcher später bis ins 12. Jahrhundert bereits mit über 3.000 Menschen besiedelt wurde. Noch heute wird der heilige Kevin verehrt und jedes Jahr am 3. Juni am St. Kevin`s Day von zahlreichen Pilgern gefeiert. Alles über die geschichtlichen Hintergründe Glendaloughs, dessen Entstehung und der Bedeutung des heiligen Kevins, kann man sehr anschaulich im Visitor Center vor Ort erleben. Neben einer interaktiven Ausstellung mit vielen Infos, wird ein kurzer Film im Kinosaal gezeigt. Mein Tipp: eine Stunde vor Schluss dort hinkommen, dann sind die Touristen wieder auf dem Heimweg und man hat das Museum für sich alleine. Es lohnt sich!
Glendalough – „Tal der zwei Seen“
Glendalough ist eine sehr beliebtes Ausflugs- aber auch Wanderziel, für Einheimische wie Touristen. Die gesamte Anlage als auch die Umgebung kann man auf insgesamt 9 unterschiedlich langen und schweren Touren erkunden. Ob gemütlich am Ufer der Seen entlang, hoch zum Poulanass Wasserfall oder noch weiter hoch in die Berge. Alle Wege sind sehr gut markiert und gepflegt. Bänke und Wiesen laden immer wieder ein darauf zu verweilen. Die Landstraße verläuft bis zum Parkplatz des Upper Lake, was Wanderer ermöglicht mit dem Bus oder Auto bis hierher zu fahren und auch nur für eine Tagestour einzusteigen. Außerdem gibt es hier noch ein Toilettenhäuschen, nicht ganz unwichtig für Wanderer, sowie das kleine Fastfood-Restaurant „The Lough Cabin“, wo man sich vor oder nach der Tour stärken kann. Übrigens auch vegetarisch.
Tag 01: Route „Spinc and Glenealo“ (15 km)
Mich reizen natürlich die Berge und so suche ich mir für den ersten Tag die weiße Route „Spinc and Glenealo“ von 9 Kilometern aus. Früh am morgen starte ich vom Glendlough Hostel aus, um ja den vorausgesagten Touristengruppen zu entkommen. Man muss dazu sagen, es ist auch noch Bank Holiday in Irland, also wird es noch voller als ohnehin schon. Da Glendlough nur 40 Kilometer von Dublin entfernt ist, ein perfektes Ausflugsziel für ein verlängertes Wochenende. Der Weg am Lower Lake vorbei ist (noch) idyllisch ruhig. Nur ein paar Schafe blöcken sich müde aus dem Schlaf. Der See liegt unberührt da, genauso wie sein großer Bruder, etwa zwei Kilometer weiter im Tal. Kurz hinter dem Infohäuschen für Wanderer, geht es links steil den Berg hoch zum Poulanass Wasserfall. Empfinde ich den ersten Anstieg schon als anstrengend, weiß ich gar nicht wie ich den nächsten beschreiben soll.
Es geht hoch auf den Berg „The Spinc“, aber nicht auf einem Weg, sondern auf etwa 600 Holzstufen. Meter für Meter stemme ich mich nach oben, halte nach fast jeder zehnten Stufe an und verfluche die Treppen. Später kann ich drüber lachen, denn: irgendwie kommt man ja doch oben an. Außerdem hat man nur dort, weiter über dem Tal, diesen atemberaubenden Blick. Ja, wirklich, mir stockt der Atem und das nicht wegen der vorherigen Anstrengung. Die beiden Seen wirken von hier oben wie zwei dunkle Pfützen, Gledalough wie ein Spielzeugdorf. Erst hier sieht man, dass die Landschaft hinter dem Upper Lake garnicht begrenzt ist sondern viel weiter läuft in Form von Steinen, Geröll und rotem Heidekraut. Wieder nimmt der Wind zu, wie ich es bisher schon auf den Touren zuvor wahrgenommen habe. Aber auch die Menschen hier ober vermehren sich. Einsamkeit und völlige Abgeschiedenheit wie auf dem Djouce Mountain bei meiner zweiten Etappe sucht man hier vergebens. Dafür kann man hier in kurzer Zeit auf kompakter Fläche viel unterschiedliche Natur und Geschichte erleben.
Sind die Berge auf ihren Spitzen noch weitflächig rund, verformen sie sich im Landesinneren des „Glenealo Valley“ in menschengroße Steine. Durch sie hindurch strömt ein Bergfluss, der wiederum unten im Tal in den Upper Lake mündet. An einigen Stellen drückt sich der Fluss durch die Spalten der schweren Steine hindurch, wodurch immer wieder kleinere Wasserfälle entstehen. So finden die vielen Touristen, besser gesagt die, die es bis hierher schaffen, doch jeder für sich ein idyllisches Plätzchen am Fluss, oft im Schutz eines Felsens. Den Fluss entlang hinunter in Tal, geht es steil und kurvig. Aufmerksamkeit ist geboten und eine guten Haltung in den Knien. Der Weg zurück zum Parkplatz ist dafür einfach, doch nicht weniger attraktiv.
Bevor man ebenerdig auf Höhe des Sees zurück läuft, durchquert man zunächst ein altes Minendorf. Die verfallenen Häuser lassen erahnen, dass hier einst Menschen Tag für Tag mitten im Bergmassiv arbeiteten um Steine abzutragen. So idyllisch dieser Ort auch sein mag, im Winter, bei Nebel und Minusgraden, in der Einsamkeit der Berge und im Grau der Steine möchte ich hier nicht leben. Dann lieber doch sich mit den Touristen den Strand am See teilen.
Tag 02: Derrybawn Woodland Trail (13 km)
Meine zweite Wandertour in Glendalough wird eine Kombi aus dem etwas leichteren „Derrybawn Woodland Trail“ (Orangene Route) und einem erneuten Besuch des Minendorfes, zusammen circa 13 Kilometer. Wieder mache ich mich früh, direkt nach dem Frühstück auf den Weg, diesmal in östliche Richtung. Nach einem kurzen Aufstieg in einen Laubwald, erhasche ich von hier einen beeindruckenden Blick auf den Rundturm samt Friedhof von oben. Da auf diesem Weg nicht viele Wanderer unterwegs sind, kann ich meine Pause und den Blick ganz in Ruhe genießen. Weiter Richtung Upper Lake besuche ich noch St. Kevins Bed, bevor es wieder nach unten geht. In der Zwischenzeit haben sich die Wolken vollkommen verzogen, wodurch die Sonne, wie angekündigt, freies Feld hat.
In diesem Moment ist mir mehr nach wandern-wandern-sein-lassen und mehr nach dösen im Park. Ich suche mir ein freies Plätzchen auf der großzügig angelegten Parkanlage vor dem Upper Lake, lege Schuhe und Kapuzenpulli ab und krame dafür mein Buch hervor, welches ich im offenen Bücherschrank des Glendalough Hostels entdeckt habe. Ein Bick auf die Uhr verspricht mir, dass ich genug Zeit habe und heute nicht mehr irgendwo irgendwann sein muss. Als hätte mein Körper damit eine Anweisung erteilt bekommen, fallen mir bald die Augen zu und ich schlummere friedlich dahin. Nur zwischendurch blinzele ich, um mich zu vergewissern, dass ich noch in Irland bin. Was für ein Segen!
Als es mir dann doch nach einiger Zeit zu warm, laut, voll und ungemütlich wird – Kinderwagen, Bälle und Grills übernehmen das Quartier – flüchte ich Richtung Minendorf und suche mir weiter oben in den Bergen ein ruhiges Plätzchen am Fluss. Hier lasse ich, begleitet von meinem Buch, den Tag und die Zeit in Glendalough ausklingen. Ich kann St. Kevin sehr gut verstehen warum er sich im gesamten Irland gerade dieses Fleckchen für seine innere Einkehr ausgesucht hat. Dieser Ort ist nicht nur einfach ruhig, sondern selig. Immer wieder hatte ich hier stille Momente, in denen ich „zu mir“ gefunden habe. Dafür musste ich nicht meine Augen schließen, beten oder meditieren, diese Momente waren einfach da.
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