Ein seltsames Gefühl morgens aufzuwachen und keinen Weg mehr vor sich zu haben. So schnell habe ich mich schon an den Rhythmus der Via gewöhnt. Statt den schweren Wanderschuhen, schlüpfe ich in leichte Flipflops. Statt Rucksack wird mich heute nur eine leichte Tasche um die Hüften begleiten. Punkt 8 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch und schweigen immer noch andächtig. An diesem Sonntag zu dieser Uhrzeit scheint die Stadt wie ausgestorben. Diesen Umstand nutzen wir und besichtigen Salamanca wie zwei klassische Touris. Angefangen mit der Catedral Nueva de Salamanca aus dem 16. Jahrhundert, die wir gestern bei unserer Ankunft nur flüchtig betrachten konnten. Ihr Innenleben ist fast noch überwältigender als ihre äußere Erscheinung. Chormusik rauscht erhaben durch die Lautsprecher. Bedächtig schlendere ich von einer zu anderen abgetrennten Kapelle, beeindruckt mit wieviel Mühe jede von ihnen geschmückt ist. Eine junge Spanierin steht mitten im Raum und betrachtet die Innenflächen ihrer Hände. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass sie dort einen Handspiegel hält um die wunderschönen Malereien an der Decke der Kathedrale erkennen zu können. In Gedanken bei denen, die diesen Glanz bei Lebzeiten nicht mehr betrachten können, zünde ich eine Kerze an.
Aus der kühlen Kathedrale raus, tauchen wir wieder ab ins das mittlerweile etwas belebtere Salamaca. Ich bin fasziniert von der französischen Verspieltheit, wie den verschnörkelten Balkonen, dem italienischen Flair und den Cafés zum draußen sitzen. Stolz flanieren die Menschen über den Plaza de Mayor. Immer wieder der ein oder andere fast deplazierte Tourist dazwischen. In den Geschäften hängt der nussig riechende Jamón Ibérico von der Decke, dessen ursprüngliche Form als Schweinen wir bereits auf dem Weg nach San Pedro de Rozades über den Weg gelaufen sind. Zwischen den alten Sandsteingebäuden mit den roten Ziegeldächern, ragen immer wieder prächtige gotische Kathedralen hervor. Auch der ein oder andere Souvenirladen zieht mich in seinen Bann. Bunt und niedlich sind die spanischen Andenken. Mir fällt kein Vergleich zu einer anderen Stadt, einem anderen Land oder einer anderen Kultur ein. Nichts was ich in dem Maße, in der Art schon mal gesehen oder erlebt hätte. So wie es ist, ist es einzigartig. Es ist eben Spanien.
Um 15 Uhr sitzen wir in dem verspäteten Bus Richtung Madrid Flughafen. Als der Bus sein Fahrt aufnimmt, rast die Landschaft lautlos an uns vorbei. Die Entschleunigung nimmt wieder Tempo auf. Meine Gedanken sind zurück auf dem Weg. Gerade als sich das Innere geöffnet hat, der Körper weiterlaufen wollte, fast schon eine Sucht nach dem Weg entstanden ist, müssen wir zurück. Innerlich schmiede ich schon Pläne wie und wann ich das nächste Mal wiederkehren würde. Das Besondere, dass ich auf der Via gefunden habe, ist das Urvertrauen zu mir selbst. Das loslösen davon Entscheidungen fällen zu müssen. Das einzige leiten lassen durch die Sinne. Das verschmelzen mit der Natur. Es ist der Weg an sich, der das eigentliche Ziel bedeutet und nicht der örtliche Endpunkt dieser Reise. Buen Camino!
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