Fernwanderwege Irland Reiseberichte Wicklow Way

Knockree – Roundwood (18 km)

Nach einem Tag wandern in der Natur, habe ich auf der Strecke von Marlay Park bis Knockree den Stress der Stadt schnell abgelegt und dafür innere Ruhe gefunden. Mein Schlaf war tief und erholsam, so dass ich mich nach einem vegetarischen Frühstück gestärkt auf den Weg mache. Vom Knockree Hostel aus geht es zunächst runter in ein liebliches Tal. Umgeben von wild wachsender Natur, schlendere ich ein ganzes Stück am Glencree River entlang. Der Wiesenboden unter mir ist weich, der Fluss neben mir plätschert vor sich hin, als sich in der Kurve vor mir ein riesengroßes Feld „Wild Garlic“ ausbreitet… Bärlauch soweit das Auge reicht! Nach überqueren des Flusses, schlängelt sich der Weg durch die Crone Woods wieder hoch in die Berge. Von hier aus erkenne das Hostel in der Ferne, welches mit jedem Schritt kleiner zu werden scheint. An diesem Tag habe ich einer der schwersten Etappen vor mir: es geht rauf auf etwa 600 Höhenmeter, mitten in die Berge. Da ich überhaupt nicht einschätzen kann wie hoch 600 Meter sind und wie gut ich sie erklimmen werde, breitet sich langsam leichte Nervosität aus.

Um mich zu beruhigen, gönne ich mir Ruhe und lege eine erste Pause mit zweitem Frühstück ein. Dafür finde ein beschauliches Plätzchen mitten in der Sonne, mit Blick auf den Powerscourt Deerpark im Tal samt Wasserfall im Hintergrund. Dieser schießt imposant von oben aus den Bergen hinunter ins tiefe Tal. Daher ist er auch bekannt als Irlands höchstgelegener Wasserfall. Weiter dem Weg folgend, komme ich dem Wasserfall immer näher, als auch den imposanten Bergen dahinter. Nach verlassen des mit Bäumen bestücken Weges, wird plötzlich wesentlich karger, steiniger und auch einsamer.

Vor mir erstrecken sich der Djouce Mountain (733) und der White Hill (635), still und starr, ganz nach dem Motto „Wir bewegen uns hier bestimmt nicht weg“. Ein bedrückendes Gefühl macht sich rund um meinen Brustkorb breit, ganz als ob ich schwerer Luft kriegen würde. Liegt das an der Höhe? Oder bekomme ich gleich einen Asthmaanfall? Von einem mulmigen Gefühl begleitet, muss ich zunächst tief ins Tal zum Dargle River absteigen, welcher den Wasserfall von der Rückseite aus speist, bevor es dann ebenso steil wieder bergauf geht. Zu meiner Erleichterung treffe ich unten am Fluss eine Gruppe von drei wandernden Frauen, die die Berge scheinbar von der anderen Seite her erklommen haben. Wenn die es geschafft haben, schaffe ich das auch! Oder? Wieder lege ich eine Pause ein, obwohl meine letzte nicht mal eine Stunde her ist. Ich winde mich… ja ich gebe es zu. Meine Beine werden schwerer, meine Lungen enger, mein Geist nervöser. Jetzt, hier, an Ort und Stelle könnte ich noch aussteigen, mich den Dreien anschließen und zurück nach Knockree laufen. Ich weiß, dass wenn ich einmal dort oben bin, ich in einem Umkreis von 5 Kilometern so schnell niemanden treffen werde. Heißt auch, dass mich niemand so schnell finden würde, falls ich einen Asthmaschock erleiden sollte und umfalle. Warum denke ich darüber eigentlich nach? Und warum habe ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen?

Am Fuß des Djouce Mountain halte ich wieder kurz inne. Ich stelle meinen Rucksack ab, ziehe mir einen Pulli an und die Kapuze über die Ohren, so windig ist es auf einmal hier oben. Mein Blick schweift nach rechts, nach links, einmal um mich herum, um dabei festzustellen, dass wirklich niemand da ist… in diesem Moment bin ich ganz allein. Das Gefühl der vollkommenen Einsamkeit schnürt mir die Kehle zu. Niemand ist da, der mir Mut macht, der mich auffängt wenn ich falle. Ich muss da jetzt alleine durch, ich muss alleine über diesen Berg. Innerlich ruf ich mir zu: „Danni, jetzt reiß Dich zusammen und geh!“ Mein beklemmendes Gefühl und meine Zweifel ignorierend, gehe ich los, entschlossen, auf den Berg zu, mit keinem Blick zurück. Der Wind pfeift mir um den Kopf, die Wanderstöcke drücken ihre Spuren tief in das Gras, so fest muss ich mich auf ihnen abstützen. Jeder Schritt ist ein Kraftakt, jeder Atemzug ein tiefer Sog nach Energie. Ich höre nur den Wind und meinen Atem, sonst nichts. Immer wieder muss ich anhalten, um meinen Puls zu Ruhe kommen zu lassen. Dabei drehe ich mich dann doch um, blicke zurück um mir zu beweisen, dass ich mit jedem Schritt ein Stück mehr geschafft habe. Auch halte ich Ausschau, nach anderen Menschen auf dem Weg, Menschen die mich auch sehen, Menschen die mich retten könnten. So erleichternd fühlt es sich dann auch an, als ich in der Ferne, am Fuß des Berges, wo ich eben noch selber stand, jemanden erkenne. „Ja, ich bin nicht alleine! Jetzt bin ich sicher!“ Bestärkter in meinem Vorhaben, setze ich den Weg fort, Stück für Stück, Schritt für Schritt. Es geht langsam und immer noch kämpfe ich mit mir. Nur mit ständigen kurzen Pausen komme ich weiter, bis die Steigung auf einmal gerade wird und ich nicht mehr Berge vor mir sondern neben mir erblicke. Ungläubig drehe ich mich einmal um meine eigene Achse, lasse meine Hände samt Wanderstöcke sinken, atme tief durch und flüstere: „Ich hab es geschafft…“ Überwältigt von diesem Gefühl, fällt eine Last von mir ab und Tränen schießen mir in die Augen, ganz als ob sich die Beklommenheit meines Brustkorbes nun über meinen Hals bis zu den Augen befreien würde.

Ich habe sie bewältigt, die Angst, ich habe ihn beschritten, den Berg. Hier oben, in den Bergen Wicklows, stehe ich über den Dingen, und so auch über meinen Gefühlen.

Besiegt ist die Angst vor Krankheit und Einsamkeit, weil ich einfach darüber hinweg gegangen bin. Hier oben eröffnet sich mir ein weiter Blick über das Land bis zum Meer zurück zu mir, in mein Innerstes. Ich fühle mich verbunden in diesem Moment, mit der Erde unter und dem Himmel über mir. Es ist ein absolut einzigartig friedlicher Moment, an den ich mich noch sehr lange erinnern werde.

Befreit, fast schon locker, schreite ich weiter, auf dem Rücken der Berge. Faktisch hat sich nichts verändert innerhalb der letzten 1,5 Stunden: ich bin immer noch mitten in den Bergen, sehen niemanden um mich herum und bräuchte bis zu zwei Stunden um wieder auf Zivilisation zu treffen. Aber: es macht mir nichts mehr aus. Fast schon trotzig komme ich mir selbst gegenüber vor: wenn ich diesen Aufstieg geschafft habe, dann schaffe ich alles! Die vollkommene Einsamkeit hier in der Natur ist auf einmal erfüllt mit Ruhe statt Angst. Ich bin gar nicht mehr einsam, weil ich bei mir bin, und weil die Natur mir Gesellschaft leistet. In einer langgezogenen Kurve vor den nächsten Bergen, lasse ich mich zwischen Heidekraut und Steinen in einer windgeschützten Nische nieder. Hier sitze ich einfach, ohne Gefühl für Zeit, blicke nur Richtung Meer und werde ganz still. Innerlich versuche ich diesen Moment abzuspeichern für später, wenn ich mal wieder Frieden brauche.

Der nächste, für diesen Tag letzte Abschnitt über die Berge, ist genau wie im Reiseführer beschrieben: „This section can be exposed in poor weather. Make sure you carry warm and windproof clothing.“ Mit allem was ich an Kleidung im Rucksack habe bin ich jetzt bestückt. Habe ich im Tal noch unter der Sonne gebrutzelt, friere ich hier oben fast bei dem heftigen Wind. Er ist so heftig, dass ich mich kaum auf dem hölzernen Laufsteg halten kann, der zum Schutz des torfigen Bodens über die gesamte Bergkette führt. Vielleicht soll er aber auch Wanderer schützen… ungerne würde ich hier in eine der sumpfigen Torfpfützen fallen, die einen fast schon mit ihrer tiefe Schwärze nur vom angucken her verschlingen zu scheinen. Schnellen aber sicheren Schrittes setze ich ein Fuß vor den anderen, während ich meinen Körper immer wieder nach rechts lehne um nicht weggefegt zu werden. Pausen um mal-eben-kurz ein Foto zu machen erweisen sich als Mutprobe: Mit beiden Händen umklammere ich meine Kamera, damit sie ja nicht wegfliegt. Der Wind ist so verdammt heftig, dass er mich wie ein Mensch fast körperlich beiseite schubst. Ich presse Kiefer vor Anstrengung aufeinander, werde richtig wütend, zeige dem Wind meine Zähne und brülle ihn kurz darauf: „Geh mir aus dem Weg!“

Vor mir breiten sich die gesamten Wicklow Berge aus, aufgereiht wie an einer Perlenkette. Der Wind lässt langsam nach, ich muss teilweise in die Knien gehen beim laufen, ein eindeutiges Zeichen: es geht bergab, sprich der Berg ist überquert. Als Dank erwartet mich ein lauschiges Plätzchen im kühlenden Windschatten des J.B. Malone Memorials mit sagenhaftem Blick auf den Lough Tay. Den Dank gebe ich zurück an den guten Herrn Malone, für dass er diesen Weg, in der Form wie man ihn heute wandern kann, gegründet, ausgebaut und gepflegt hat. Ohne ihn säße ich jetzt bestimmt nicht hier. Während ich mein Nachmittags-Picknick genieße und die Stille der Berge nachwirken lasse, taucht plötzlich, wie aus dem Nichts, ein weiterer Wanderer auf, fröhlich pfeifend, aus Richtung Berge, mit – jetzt kommt’s – freiem Oberkörper. Erstens: wo kommt dieser Mensch her, so war ich doch meilenweit ganz alleine oben in den Bergen! Zweitens: bei dem Wind habe ich mir fast die Ohren abgefroren, während dieser Wanderer sogar ohne T-Shirt auskommt. Seltsam die Iren, sehr seltsam…

Noch etwa 10 Kilometer liegen vor mir bis zum meinem Ziel Roundwood. In einem Waldstück parallel zum Lough Tay, begegnen mir zahlreiche Mountain Bike Fahrer. Wie ich später erfahre, wurden hier vor etwa zwei Jahre extra Mountain Bike Wege angelegt und weiter ausgebaut. Seither nimmt die Nachfrage stetig zu und Irland gewinnt in der Hinsicht eine Attraktivität dazu. Nach dem Waldstück „Slievebuck“, kurz vor Roundwood, geht mir langsam das Wasser und auch die Puste aus. Der Weg zieht sich zäh über Schafswiesen und zwischen Ginsterbüschen hindurch, während die Sonne von oben brennt, so dass ich mich jetzt schon auf eine eiskalte Dusche freue. Die Freude wird bestätig und noch getoppt: das Skylarks’s Rest Hostel ist ganz zauberhaft und wirkt mehr wie ein gepflegtes B&B. Die Hausdame Sinead führt mich geduldig durch jedes Zimmer und erklärt mir dazu jedes Detail. Hier ist wirklich an alles gedacht: Küche mit Tee und Keksen für alle, Wohnzimmer mit Büchern und Couch zum Lümmeln, Badezimmer im klassisch englischen Stil mit Badewanne und ein weiches, großes Bett. Das Mehrbett-Zimmer teile ich mir mit einem irischen Jungspunt, den ich später als Tom Healy kennenlerne. Nach einer ausgiebigen Dusche und dem Wechsel in bequeme Klamotten, treffe ich ihn in unserem Zimmer und wir begrüßen einander freudig. Genau wie ich ist er als Wanderer auf dem Wicklow Way unterwegs. Endlich mal jemand, mit dem ich mich darüber austauschen kann! Auf dem Weg ins Dorf, in dem wir für das Abendessen einkaufen, erzählt er mir was ihn auf den Wicklow Way gebracht hat.

Tom ist in den Endzügen für seinen President’s Award. Dies ist eine Art Challenge für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren, bei der sie durch verschiedene Aktivitäten ein Abzeichen in Bronze, Silber und Gold gewinnen können. Eine dieser Aktivitäten für das Abzeichen Gold ist beispielsweise 80 bis 110 Kilometer an einem Stück innerhalb von vier Tagen zu laufen. Und dafür ist Tom gerade in den Endzügen. Jedes Abzeichen umfasst Aufgaben in den vier Bereichen: soziales Engagement, persönliches Geschick, körperliche Anstrengung und Outdoor-Tour. Der President’s Award wurde 1985 von der irischen Regierung ins Leben gerufen, mit dem Ziel irischen Jugendlichen ein motivierendes Ziel und die Möglichkeit auf Selbstverwirklichung zu geben. Wie Tom erzählt, nutzen dieses Programm immer noch sehr viel Jugendliche, so wird es oft auch über Schulen, Jugendgruppen und Vereine umgesetzt. Seit der Gründung des Awards wurden über 300.000 Jugendliche in Irlandausgezeichnet. Ich finde das ganz großartig und bin schwer begeistert. Vor allem darüber, dass dieser Award so ernst genommen und seit 27 Jahren kontinuierlich von Jugendlichen genutzt wird. Welcher Verein, Sport oder Einrichtung kann das schon von sich behaupten? Außerdem finde ich es vorbildhaft, dass die Idee zu dieser Challenge von der Regierung selbst aus ins Leben gerufen wurde.

In diesem Artikel zeige ich eine Auswahl der besten Fotos der jeweiligen Tour. Alle Fotos zum Wicklow Way kann man hier bei flickr anschauen, um einen noch besseren Eindruck zu bekommen.

Skylark’s Rest Hostel

Das Skylark’s Rest Hostel ist mehr B&B als Hostel, persönlich und liebevoll eingerichtet ist es. Trotzdem umfasst es 14 Betten und bietet genug Platz für alle Gäste; egal ob Familie, Paar, Gruppe oder Alleinreisende(r). Die hauseigene Küche ist sehr komfortable und vielseitig ausgestattet, so dass man hier bestens kochen kann. Lebensmittel dazu findet man im 10 Minuten entfernten Zentrum von Roundwood. Beim Frühstück ist man bereits grundersorgt; ein Kontinental-Frühstück ist bereits im Preis enthalten. Roundwood liegt etwa in der Mitte der Wicklow Berge, so dass man von hier aus die Gegend bestens erkunden kann. Dafür kann man sogar eines der vier hauseigenen Mountainbikes ausleihen. Außerdem ist das Vartry Reservoir nicht weit, welches ganz Dublin mit Wasser versorgt und welchem man den einzigartigen Geschmack des Guinness nachsagt. Weiteres Infomaterial hat Hausdame Sinead liebevoll zusammengestellt. Beim Betrachten der Möglichkeiten überlege ich mir: Das Skylark’s Rest Hostel und Roundwood wären meiner erste Wahl, wenn ich für mehrere Tage am Stück in Wicklow blieben würde. Hier ist man bestens versorgt und erreicht alle interessanten Ziele gleich gut.

Leistungen

  • WLAN
  • Gemeinschaftsküche
  • Frühstück im Preis enthalten
  • Abholservice vom Wicklow Way möglich
  • Föhn vorhanden
  • Fahrradverleih (15 € ganzer Tag, 10 € halber Tag)

Preise (pro Person & Nacht)

  • Single Bed: 22 – 25 € (4-Bett-Zimmer)
  • Single Occupancy: 35 €  (Privatzimmer)
  • Twin Bedroom: 25 – 27,50 € (Privatzimmer)
  • Double Bedroom: 25 – 27,50 € (Privatzimmer)
  • Triple Bedroom: 23 – 27 € (Privatzimmer)
  • Four Bed Room: 22 – 25 €

Adresse
The Skylark’s Rest Details
Sinéad Jackson
Lough Dan Road, Roundwood
County Wicklow
Tel: +353 (087) 0910342


www.skylarksrest.com

Landlinien wurde Anfang 2009 von Designerin Daniela Klütsch gegründet. In ihrer Agentur daklue beschäftigt sie sich hauptberuflich mit Kommunikation für nachhaltige Unternehmen. Wie beim Reisen spielt auch dort das Thema „Entschleunigung“ eine große Rolle. Wenig kommunizieren, dies aber bewusst, achtsam sein, mit sich selbst und seiner Umwelt… das sind Gedanken die sie Tag für Tag antreiben

7 Kommentare zu “Knockree – Roundwood (18 km)

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