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Singapur, Stadt der Regeln und Quoten

Warum wir in diesem Leben keine beste Freunde mehr werden

Ach Singapur, in diesem Leben werden wir leider keine besten Freunde mehr. Zugegeben, die Bedingungen für unser erstes Treffen waren nicht gerade ideal, doch auch während unseres 4-tägigen Besuches konntest Du mich nicht vom Gegenteil überzeugen. Als wir zur Mittagszeit ankamen, hatten wir bereits 20 Stunden Reisezeit von Tür zu Tür in den Knochen, 13 Stunden davon alleine im Flieger, und das mit unserem einjährigen Sohn. Kaum bis gar kein Schlaf und straffer Jetlag als Folge. Unsere erste Begegnung war kühl und distanziert, was bis zu unserer Abreise so blieb. So ganz anders asiatisch bist Du, viel eher wie die Menschen bei uns daheim in Europa.

Kein Wunder, dass Singapur auch die Schweiz Asiens genannt wird.

Ob man diesen Vergleich nun positiv oder negativ auslegen mag, ist jedem selbst überlassen. Ich für meinen Teil kann daraus ziehen, was ich in der Schweiz bereits mehrfach festgestellt habe: Man bleibt unter sich, ist nach außen gepflegt bis zur Perfektion und alles ist teurer als sonstwo. Singapur zählt zu den reichsten Ländern der Welt und gilt als eine der Städte mit den weltweit höchsten Lebenshaltungskosten. Das sieht man auch, und das zieht natürlich Menschen mit Geld an.

Bereits am Abend, nachdem wir eingecheckt und uns zügig aufgemacht haben zum Food Court um die Ecke, stellen wir fest: So richtig freundlich und offen, wie wir es aus Thailand kennen, ist hier niemand.

Ok, man soll ja nicht vergleichen und Singapur ist eben Singapur. Schließlich sind wir ja auch hier, um herauszufinden wie das ist. Also gut, kurze Stärkung, ab ins Bett, versuchen zu schlafen und am nächsten Morgen spontan gucken, wie wir alle drei drauf sind, vorrangig Henri, denn ganz klar: Auf dieser Reise gibt unser Einjähriger den Ton an.

Wenigstens ein Blick ins Grüne
Wenigstens ein Blick ins Grüne

Die Nacht war kurz, das Bett zu eng und das Zimmer viel zu klein. Im Vorfeld war es eine Herausforderung, ein bezahlbares Zimmer mit einem richtigen Bett (und keiner Kapsel) und einem Fenster zu finden. Für unseren 6-tägigen Aufenthalt haben wir uns daher für die bekannte Low-Budget Hotelkette „Fragrance“ entschieden, die in Singapur 21 Hotels beherbergt. Unser Hotel „Oasis“ liegt etwas abseits nördlich der Innenstadt, ist aber trotzdem gut angebunden mit Bus (direkt vor der Tür) und Bahn (15 Minuten Fußweg). Für das Superior Doppel-/ Zweibettzimmer knapp 250 Euro für 6 Tage (Deal über Agoda), was sich im Nachhinein nicht bewährt hat, wenn man betrachtet in welche „Kammer“ wir gesteckt wurden. Gebucht haben wir ein Zimmer mit zwei Einzelbetten. Bekommen haben wir ein sehr kleines Zimmer mit einem 1,60 Meter breiten Doppelbett. Der fehlende Platz und in Folge auch der fehlende Schlaf haben uns nach zwei unruhigen Nächten dazu gebracht, früher abzureisen. Als wir dies im Hotel kund tun, bekommen wir glatt ein anderes Zimmer, nämlich genau das, welches wir ursprünglich gebucht hatten. Auf unsere Nachfrage, weshalb wir das nicht von Anfang an bekommen haben, hieß es, sie hätten nur drei Zimmer dieser Art und es sei bei unserer Ankunft belegt gewesen. Klingt für uns ganz klar nach Doppelbelegung der besseren Zimmer und nach Werbung mit falschen Angaben. Unsere Beschwerde haben wir bereits bei Agoda als auch bei Fragrance eingereicht.

„Jetzt weiß ich was fehlt…“ murmele ich am nächsten Morgen im Food Court. „Das Rufen der Beos, das trubelige Leben auf der Straße samt Garküchen und das neugierige Lächeln der Einheimischen. Aber wer ist in Singapur eigentlich einheimisch?

Schneller, höher, weiter
Schneller, höher, weiter

Die Stadt der Superlative ist auch dafür bekannt, ein Melting Pot der Kulturen zu sein. Hier treffen Chinesen auf Inder auf Malayen, und natürlich auf „Expats“. Wie viele westliche Ausländer es sind, weiß man nicht. Es gibt nur offizielle Zahlen zu den Bewohnern mit dauerhafter Aufenthaltserlaubnis (Permanent Residents) (Quelle Wikipedia). Die unterschiedlichen Kulturen treffen zwar aufeinander, mischen sich jedoch nicht miteinander, so mein Eindruck. Jeder hat sein Viertel (dank der Stadtplanung 1822 durch Sir Thomas Stamford Raffles), sein „Gotteshaus“, sein Essen und seine Kultur. Beim öffentlichen Wohnungsbau wird brav darauf geachtet, dass alle Kulturen vertreten sind. Das klingt im ersten Moment vom Kopf her gedacht sinnvoll, sicher und gerecht. Vom Herz her gefühlt künstlich, einsam und kühl. Wenn man mal etwas recherchiert, liest man immer mal wieder von Ausbrüchen in Singapur, die seitens der Regierung ganz gerne unterdrückt werden. (Ein interessanter Artikel dazu zu hier: Wie Singapur seine Bürger zum Zusammenleben zwingt).

Kein Wunder, dass selbst streiken verboten ist.

Man ist eben für sich, und das spürt man (aus meiner Sicht) auch als Tourist. Erklären kann ich mir das nur so: Wenn so viele Kulturen, und vor allem Expats, in Singapur zusammenleben, dann ist man als Singalese wahrscheinlich nicht wirklich überrascht bzw. beeindruckt, wenn Langnasen wie wir das Land bereisen. Das kennen wir so ganz anders aus Thailand, egal in welchem Teil des Landes wir unterwegs waren. Vielleicht kommt die „ich leb für mich“ Mentalität auch daher, dass es nicht DIE Singapur-Kultur gibt. Wenn jeder in seiner Kultur bleibt, wie soll es dann EINE gemeinsame Kultur geben? Ich für meinen Teil fühle mich hier jedenfalls mehr wie in Europa als wie in Asien.

Exkurs in eine westliche Gesellschaft: Ein Tag im Supermarkt

Es kommt oft anders, und mit Kind sowieso schneller anders, als man denkt. Nachdem wir Eltern zwei Tage in Folge ohne Schlaf verbracht haben, kommt auch unser Sohn Henri an seine Grenzen. Das Hotelzimmer ist schnell erkundet und als Spielplatz viel zu klein. Aber wohin in einer Stadt bei 32° ohne Meer in der Nähe? Den Botanischen Garten haben wir bereits einen Tag zuvor besucht und sehr genossen. (Unser Artikel dazu folgt noch! Hier können wir wiederum nur Positives berichten.) Am Morgen teilen wir uns auf, um unsere Kräfte wieder bündeln zu können: Nick legt sich noch mal hin und versucht zu schlafen, ich gehe mit Henri in die angrenzende Shopping Mall, ein Ort an dem es angenehm kühl ist und ich Henri sicher satt bekomme. Das ist gerade wichtiger als der Plan, die Stadt von oben bis unten zu erkunden. Im Übrigen kann ich den Besuch eines einheimischen Supermarktes egal wo auf der Welt wärmstens empfehlen. Für mich einer der Orte, an dem man eine Gesellschaft bestens kennen lernen kann. So auch in Singapur. Für jede Kultur gibt es hier die passenden Lebensmittel, natürlich schön übersichtlich und getrennt in einzelnen Gängen sortiert: Deutsches Brot, italienisches Wasser, chinesische Suppen, indisches Naan, … frei nach dem Motto „Kein Grund sich einer fremden Kultur anzupassen, ist ja alles da, ganz wie zu Hause!“. Was  mir außerdem auffällt, dass auf uns, Mama mit Kind im Kinderwagen, nicht besonders Rücksicht genommen wird. Statt uns Platz zu machen, bin ich diejenige, die ausweicht. Aber wie soll man mich auch als Gast erkennen, zu dem man vielleicht höflicher wäre, wenn ich doch aussehe wie eine der vielen Expats hier?

Die Demut dem eigenen Ego gegenüber, wie wir es aus dem Buddhismus kennen, fehlt. Und ja: Es ist eine der reichsten Städte der Welt, was aus meiner Sicht den Egoismus in einer Gesellschaft nur noch stärkt, statt ihn zu mildern.

Nanny Agentur in der Shopping Mal
Nanny Agentur in der Shopping Mal

Der Umgang mit Kindern

Was mir als frisch gewordene Mama besonders auffällt, ist der Umgang mit Kindern in Singapur. Im Botanischen Garten, wo wir unseren ersten Tag  verbringen, sehen wir viele Kinder in Henris Alter und älter. Allerdings nicht mit ihren Eltern, sondern mit ihren Nannys. Woran ich das fest mache? Die Kinder sehen westlich aus, sprechen Englisch und sind in Begleitung einer asiatischen Frau. Mal ist es nur ein Kind, mal eine Gruppe. Im Botanischen Garten treffen sich auch asiatische Eltern mit ihren Kindern. Diese wiederum sitzen eher im Schatten auf Picknickdecken und bleiben für sich. Wieder jeder für sich: Malayen, Chinesen und Inder. Komische Welt.

 

Slow Travel // Unsere Tipps für das Reisen mit Kind

  • Nimm Dir auf jeden Fall Zeit für Deinen Jetlag und den Deiner Familie!
  • Spare in Singapur nicht an der Unterkunft und gönne Dir ein familienfreundliches Hotel
  • Plane genug Pausen ein! Mache lieber weniger statt mehr
  • Starte mit ruhigen Orten, um Dein Kind an die Stadt zu gewöhnen
  • Eine Verschnaufpause kannst Du gut in einer der vielen Shopping Malls einlegen
  • Sei bereit, jederzeit Deine Pläne über Bord zu schmeißen
  • Lass Dich von Deinem Kind leiten, das macht vieles leichter
  • Lächeln kann helfen! (Verhalte Dich so, wie Du selbst behandelt werden möchtest)

Unser Fazit:

Und so verlassen wir Singapur, ohne die vielen Attraktionen der Stadt gesehen zu haben. Kein Garden by the Bay, kein Singapore Zoo, kein Santosa Island. Zugegeben, im ersten Moment komme ich mir vor wie der Looser der Reiseblogger (3 Tage in Singapur und Du hast nur den Botanischen Garten gesehen?). Im zweiten Moment, wenn ich jetzt Henri beim Buddeln im Sand beobachte, verblassen diese Gedanken schlagartig und ich weiß, dass wir alles richtig gemacht haben. Tausendmal schöner als eine abgearbeitete Bucket List.

Landlinien wurde Anfang 2009 von Designerin Daniela Klütsch gegründet. In ihrer Agentur daklue beschäftigt sie sich hauptberuflich mit Kommunikation für nachhaltige Unternehmen. Wie beim Reisen spielt auch dort das Thema „Entschleunigung“ eine große Rolle. Wenig kommunizieren, dies aber bewusst, achtsam sein, mit sich selbst und seiner Umwelt… das sind Gedanken die sie Tag für Tag antreiben

2 Kommentare zu “Singapur, Stadt der Regeln und Quoten

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