Vor knapp 40 Jahren eröffnete neben meinem Kindergarten in Köln ein sogenannter „Dritte Welt Laden“. In diesem kleinen Laden wurden einfache Produkte und Gebrauchsgegenstände aus nachwachsenden Rohstoffen angeboten, die in Dritte Welt Ländern hergestellt wurden. Die Idee dahinter war, die Wirtschaftskraft von Entwicklungsländern zu stärken und umweltfreundlichere Produkte zu verkaufen. Ein Produkt, das durch diese Läden populär wurde und das ich und viele andere heute noch benutzen, ist der Jute-Beutel, damals mit dem Aufdruck „Jute statt Plastik“. Wurden die Anhänger dieser Randbewegung damals noch mitleidig als „Ökos“ belächelt, haben sich daraus bis heute viele Konzepte entwickelt, um nachhaltiger zu leben und zu wirtschaften. Wir haben heute Mülltrennung, ökologische Reinigungsmittel, nachhaltige Kleidung, Fair Trade, Biolebensmittel, Biomöbel, immer mehr Wiederverwertung statt Einweg, Plastiktüten sind teilweise verboten, und vieles mehr. Auch wenn es ein sehr zähflüssiger Prozess ist, hat sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umwelt zum Positiven verändert. Und diese Entwicklung schreitet fort.
Thailand und das Abfallproblem
So ist die Situation in Deutschland. In Thailand und vielen anderen asiatischen Ländern war das bis vor wenigen Jahren nicht so. Es gab fast nichts, das nach dem Kauf nicht in eine Plastiktüte gepackt wurde, selbst eine Packung Kaugummis oder ein Feuerzeug. Das geschah völlig automatisch. Wenn man darauf hinwies, dass man keine Tüte haben möchte, reagierten die Verkäufer meistens ziemlich irritiert. Auf den meisten Inseln gab es überhaupt keine Müllentsorgung, alles wurde irgendwo fernab der Touristengebiete auf großen Halden in den Dschungel gekippt oder verbrannt.
Vor etwa drei Jahren sah ich dann in Bangkok das erste mal eine Art Recyclingstation, in der man Glas, Plastik und Metall auseinander sortierte. Auf einem Hof wurden Container mit gemischtem Müll angeliefert und Arbeiter trennten alles mühsam von Hand. Das machte Hoffnung. Ich versuchte damals schon, meine Müllproduktion so gering wie möglich zu halten.
Grüne Bewegung auf Koh Lanta
Dieses Jahr entdecken wir in Bangkok den „Koh Lanta Pocket Guide“, eine Art Mini-Reiseführer für Koh Lanta, wie es ihn auch für Koh Phangan seit vielen Jahren gibt. Das trifft sich gut, denn wir planen unter anderem, fünf Tage auf der Insel in der Andamanensee zu verbringen. Beim Durchblättern bin ich überrascht, denn auf ganzen 10 Seiten wird eindringlich um die Vermeidung von Plastik und generell um nachhaltiges Verhalten geworben, und alternative Produkte und Möglichkeiten werden genannt. Netzwerke entstehen gerade und Menschen engagieren sich und bauen neue nachhaltigere Infrastrukturen auf. Uns interessiert natürlich, welche Menschen die vielen Umwelt-Aktionen in Gang setzen, und nehmen uns vor, die Initiatoren dieser Bewegungen ausfindig zu machen und zu interviewen, was sie motiviert und wie sie ihre Ideen umsetzen.
Aruna und Chai von der Ecofarm
Über Facebook stellen wir Kontakt zu Aruna und Chai her, die auf Koh Lanta Noi die Shaan & Jeevan´s Eco-farm betreiben. Die Eco-farm ist ein kleines Stück Land, das von den beiden ökologisch und nachhaltig bewirtschaftet wird. Das Haus haben sie sozusagen in Handarbeit erbaut, die Stromversorgung erfolgt über Solarzellen und die Wasserversorgung über einen Brunnen mit angeschlossener Filteranlage. Im eigenen Obst-, Gemüse-, und Kräutergarten bauen sie natürlich bio an und seit kurzem gibt es auch eine Kompostieranlage auf dem Gelände.
Aruna und Chai hatten beide mal hochdotierte Jobs in Paris und Bangkok, haben sich aber irgendwann entschlossen, aus diesem Leben auszusteigen, und fortan nachhaltig und naturnah zu leben. Über einige Zwischenschritte haben sie sich dann ein Stück Land in der Natur gekauft, um dort aus eigener Kraft ihre Ökofarm zu bauen. Sie machen das, um es später mal ihren Kindern überlassen zu können.
Aruna erzählt uns von dem unzureichenden Müllentsorgungssystem auf Koh Lanta. Es gibt nur zwei Müllwagen für die gesamte Insel und eine einzige Recyclingstation, die mit dem Müllaufkommen der Doppelinsel hoffnungslos überlastet ist. Gerade in den letzten Jahren ist der Tourismus stark gewachsen, das Entsorgungssystem aber nicht.
Aus alt mach neu: Aunty Bee`s
Über Aruna und Chai erfahren wir von Aunty Bee´s Eco Handicraft. Tante Bee, die ebenfalls auf Koh Lanta Noi lebt, stellt aus gesammelten Plastik-Abfällen Gebrauchsgegenstände her, wie zum Beispiel Taschen aus alten Reissäcken oder Matten aus alten Plastikstrohhalmen. Natürlich statten wir auch Bee einen Besuch ab und sind begeistert, was sie alles in mühsamer Handarbeit herstellt. Zwei schöne Reissacktaschen nehmen wir auch gleich mit.
Die Müllhelden – „Trash Heroes“
Im Koh Lanta Pocket Guide lesen wir auch über die Initiative „Trash Heroes“. Die Bewegung stammt ursprünglich aus der Schweiz und hat inzwischen viele Ableger insbesondere in den südostasiatischen Ländern gebildet. Die Mission der Trash Heros besteht darin, Beach Clean-Ups zu organisieren und kleine aber effektive Projekte ins Leben zu rufen, die dabei helfen können, Plastikmüll von vornherein zu vermeiden.
Natürlich ist es aussichtslos, mit den Strandsäuberungsaktionen gegen den Plasikmüll anzukämpfen. Es geht auch viel mehr darum, Menschen auf die Problematik aufmerksam zu machen und zum Nachdenken anzuregen. Wir konnten bei den Aufräumaktionen feststellen, dass viele Strandbesucher neugierig wurden, was wir dort tun, und viele sogar spontan mithalfen, den Müll einzusammeln. Das ist auch genau das, was die Beach Clean-Ups zum Ziel haben. Erschrocken haben wir uns darüber zu sehen, dass der Müll teilweise aus Ländern stammt, die viele tausend Kilometer entfernt sind und eine weite Reise über das Meer hinter sich haben. Das konnte man beispielsweise an den Etiketten auf den Plastikflaschen erkennen.
Wir packen selbst mit an
Auf Koh Lanta nehmen wir auch Kontakt zum russischen Pärchen Kate und Roman auf, die die Trash Heroes Koh Lanta repräsentieren. Wir lernen die beiden bei einem Beach Clean-Up und anschließendem gemeinsamen Abendessen kennen. Sie berichten uns von der Situation auf Koh Lanta und darüber, was sie bereits alles mit ihren Aktionen erreicht haben.
Beispielsweise sind sie derzeit in Kontakt mit 7-Eleven, der größten Minimarktkette in Thailand. Eine typische Handbewegung des 7-Eleven-Personals ist das Einpacken der gekauften Artikel in Plastiktüten, selbst wenn es sich nur um einen einzigen kleinen Artikel handelt. Kate und Roman arbeiten gemeinsam mit dem Konzern an einem Programm, das helfen soll, den enormen Plastiktütenverbrauch einzuschränken. Dafür soll in einem ersten Schritt das Kassenpersonal gebrieft werden, so dass zukünftig nicht alles automatisch eingetütet wird, sondern der Kassierer den Kunden fragt, ob wirklich eine Plastiktüte benötigt wird. Des Weiteren haben sie Stofftaschen designen lassen, die sie an die Hotelbetreiber ausgeben wollen, damit die Touristen diese für ihre Einkäufe verwenden.
Unser nachhaltiges Reiseset
Von Kate um Roman haben wir auch zwei kleines Sets, bestehend aus Metallstrohhalm, Reinigungsbürste und Metalllöffel in einem kleinen Stoffbeutel, erworben. Die Metallstrohhalme haben wir fortan immer dabei und weisen bei jeder Getränkebestellung darauf hin, dass wir keinen Plastikstrohhalm haben möchten. Wir erlernen sogar extra den Satz „Mai ao loat“, was „keinen Stohhalm bitte“ bedeutet. Wir stellen allerdings fest, dass der Automatismus des Thekenpersonals doch so manifestiert ist, dass diese Bitte meistens vergessen wird. „Bitte keine Plastiktüte“ heißt übrigens „Mai ao tung“.
Kampf den Plastikflaschen
Eine weitere Initiative der Trash Heroes ist das „Refill-Programm“. Mann kann für umgerechnet ca. 5 Euro eine Metallflasche mit Schraubverschluss erwerben und diese an über 70 Stationen auf Koh Lanta kostenlos mit Trinkwasser befüllen. Das Netzwerk aus Restaurants, Boutiquen, Bars, Tauchshops, etc. ist auf einer Google-Karte aufgeführt. Mittlerweile gibt es diese Refillstationen in vielen Ländern Südostasiens. Natürlich kaufen wir auch zwei solcher Flaschen, so dass wir unsere gesamte Reise über so gut wie kein Wasser in Plastikflaschen mehr kaufen müssen. Wir haben dadurch hochgerechnet über 400 Plastikflaschen während unserer gesamten Reise nicht gekauft!
Wir treffen den „Trash Man“ auf Koh Jum
Nach Koh Lanta reisen wir weiter nach Koh Jum. Bei einer unserer ersten Erkundungen sehen wir plötzlich einen gelben Jeep mit dem Trash Heroes Logo auf der Motorhaube. Danni läuft sofort dem Fahrzeug hinterher, um Kontakt aufzunehmen. Kurz darauf kehrt sie mit dem Leiter der Trash Heroes Koh Jum Odd-chokchai Eksuphab zurück. Odd stammt von den Sea-Gypsies ab und liebt die Natur und sieht es als seine wichtigste Aufgabe, die Natur zu schützen und zu bewahren. Seine Freunde und Bekannte nennen ihn „Trash Man“, da er die regelmäßig stattfindenden Beach Clean-Ups auf Koh Jum organisiert. Diese Bezeichnung ist keinesfalls abwertend gemeint sondern viel mehr eine Auszeichnung. Es mag eine Sisyphosarbeit sein, aber dennoch ist sein unerschütterliches Motto: „Never give up!“
Nachhaltige Luxusvillen mit eigenem Pool
Neben seinen Aufgaben bei den Trash Heroes arbeitet Odd noch bei den Koh Jum Beach Villas, wo er außer als Hotelmanager auch für den hauseigenen Biogarten verantwortlich ist und Kanu-Ausflüge in die Mangrovenwälder organisiert. Der kanadische Besitzer der Beach Villas Ken Seibt baut hier exklusive Pool-Villen im Einklang mit der Natur. In dem Resort wird beispielsweise vollkommen auf Plastik verzichtet. Strom- und Wasserversorgung wie auch Entsorgung erfolgen völlig autark und ökologisch. Zutaten für das Restaurant stammen zum großen Teil aus dem hauseigenen Biogarten.
Zu den Koh Jum Beach Villas gibt es einen separaten Bericht hier.
Besonders bei den Beach Clean-Ups wurde uns bewusst, wie groß das Plastikmüllproblem tatsächlich ist, denn von Weitem oder auf Fotos kann man die unzähligen Minipartikel nicht erkennen. Umso erfreulicher ist es, dass das Problem inzwischen mit vielen kleinen aber effektiven Methoden angegangen wird, bei denen jeder mitmachen kann. Die Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit in Thailand schreitet sehr langsam voran, aber es breitet sich offenbar dennoch immer weiter und unaufhaltsam aus.
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